Jedes Jahr die gleiche Frage: Soll ich die Behandlungskosten an die private Krankenversicherung (PKV) abrechnen oder die Beitragsrückerstattung wählen? Laut meiner PKV ist die Rückerstattung »fast immer vorteilhafter«. Doch ihre Darstellung ist irreführend: Wichtige Details fehlen, und gestaffelte Rückerstattungen werden unvollständig berücksichtigt. Eine Entscheidungshilfe sucht man vergebens – also entwickeln wir eine eigene, mithilfe des Kapitalwerts.
Der Kapitalwert beziffert den heutigen Wert zukünftiger Zahlungen. Damit können wir langfristige Investitionen beurteilen und Inflation, Steuern oder Abschreibungen einpreisen. Die Grundlagen habe ich hier beschrieben.
»Kosten« meint hier Behandlungskosten, die ich an die PKV abrechnen kann. Alternativ kann ich bereits gezahlte Monatsbeiträge in Form einer »Rückerstattung« zurückfordern.
Inhalt
Gestaffelte Rückerstattungen
Viele PKV-Tarife bieten gestaffelte Rückerstattungen, um kostenbewusstes Verhalten zu fördern (kurz erklärt bei Finanztip: https://www.finanztip.de/pkv/pkv-rueckerstattung/).
Meine PKV staffelt die Rückerstattung in Monatsbeiträgen:
Reiche ich keine Kosten ein und bleibt mein Vertrag bestehen, erhalte ich nächstes Jahr garantiert zwei Monatsbeiträge zurück. Ab dem zweiten Jahr kommt eine »erfolgsabhängige« Erstattung hinzu – basierend auf dem Geschäftsjahr der PKV, nicht meinem. Diese steigt jährlich bis zu maximal vier Monatsbeiträgen. Nach fünf Jahren wären also sechs beitragsfreie Monate möglich. Reiche ich jedoch Kosten ein, fällt die Rückerstattung auf „Null“ zurück.
Schon ist mir ein Denkfehler unterlaufen. Als »Monatsbeitrag« nahm ich den Betrag an, den die PKV monatlich von meinem Konto abbucht. Falsch – die PKV meint den Basisschutz:
In meinem Fall zahle ich aktuell 483,09 EUR monatlich, wovon 297,52 EUR auf den Basisschutz entfallen. Das Wort „Basisschutz“ taucht im Schreiben nur einmal auf – eine irreführende Darstellung,
die ohne direkt zu lügen, falsche Schlüsse nahelegt.
Auch die jährlichen Übersicht der Rückerstattungen greift zu kurz:
Zuletzt dann noch diese Behauptung:
Diese Aussage überzeugt mich nicht. Mit wenig Aufwand könnte die PKV transparenter sein – etwa so:
- Annahmen aufstellen
- Kapitalwert bei Rückerstattung berechnen
- Kapitalwert bei Kostenabrechnung berechnen
- Kapitalwerte vergleichen
- Entscheiden
1. Annahmen
Für die Berechnung gelten folgende Annahmen:
Kategorie | Annahme |
---|---|
Behandlungskosten und Abrechnung |
- Kosten: 1.983 EUR - Erstattung durch PKV: ca. 80 % (wegen Selbstbeteiligung) - Steuerlich keine Auswirkung, da keine außergewöhnliche Belastung (§33 EStG) |
Beiträge und Rückerstattung |
- Aktueller Beitrag: 483,09 EUR (davon 297,52 EUR Basissicherung) - Zukünftiger Beitrag: 549,43 EUR (davon 360,35 EUR Basissicherung) - Steuerlich: keine Auswirkung, da Höchstbetrag für Vorsorgeaufwendungen ausgeschöpft (§10 (4) EStG) |
Vernachlässigte Faktoren |
- Keine Behandlungskosten in den Folgejahren - Keine Beitragserhöhungen in den Folgejahren (Diese Punkte beeinflussen beide Kapitalwerte gleich und ändern nichts am Vergleich.) |
Referenzzins | 7,5 % p. a., basierend auf der langfristigen, realen Rendite eines breit diversifizierten Weltportfolios[1] (Details: hier) |
2. Kapitalwert bei Rückerstattungen
Wenn ich die Rückerstattung wähle, verzichte ich auf die Abrechnung der Behandlungskosten. Dafür erhalte ich im kommenden Jahr die doppelte Basissicherung und in den folgenden Jahren zusätzlich die gestaffelte zukünftige Basissicherung. Ab dem sechsten Jahr nehme ich die sechsfache Basissicherung als ewige Rente in die Berechnung auf (Details dazu im einleitenden Artikel über den Kapitalwert). Übersichtlich im Excel:
3. Kapitalwert bei Kostenabrechnung
Wenn ich die Kosten abrechne, erstattet die PKV etwa 80 % der Behandlungskosten im darauffolgenden Jahr. Allerdings verzögern sich dadurch die Rückerstattungen der Basissicherung um ein Jahr. Übersichtlich im Excel:
4. Vergleich beider Kapitalwerte
Ein Vergleich der beiden Kapitalwerte zeigt: Die Beitragsrückerstattung ist leicht vorteilhafter – sowohl mit als auch ohne ewige Rente:
Kapitalwerte (EUR) | Rückerstattung | Kostenabrechnung |
---|---|---|
ohne ewige Rente | 3.521 EUR ✔ | 3.321 EUR |
mit ewiger Rente | 22.201 EUR ✔ | 22.098 EUR |
Der Unterschied ist jedoch so gering, dass der zeitliche Verlauf der Kapitalwerte entscheidend wird. Um diesen zu analysieren, habe ich die diskontierten Werte Jahr für Jahr aufaddiert und in einer Grafik dargestellt:
Ergebnis: Die Kostenabrechnung (blaue Kurve) rentiert sich bereits nach anderthalb Jahren, während die Rückerstattung (orangene Kurve) erst nach zweieinhalb Jahren profitabel wird. Langfristig wird die Rückerstattung ab etwa viereinhalb Jahren vorteilhafter.
5. Entscheidung
Die beiden Kapitalwerte liegen so nah beieinander, dass sie in dieser Konstellation nahezu gleichwertig sind. Da die Kostenabrechnung (blaue Kurve) früher Geld zurückbringt, würde ich mich in diesem Fall dafür entscheiden – denn frühere Zahlungen sind mir persönlich wichtiger.
Im kommenden Jahr könnte sich die Situation jedoch ändern, z. B. wenn meine Behandlungskosten unter 1.000 EUR liegen:
In diesem Fall würden sich beide Alternativen nach etwa anderthalb Jahren auszahlen, und die Rückerstattung wäre langfristig vorteilhafter.
Klar wird aber auch: Die Behauptung der PKV, die Rückerstattung sei »fast immer vorteilhafter«, ist viel zu pauschal. Allein eine Brille und halbjährliche Zahnreinigungen kosten schnell mehr als 1.000 EUR. Die Empfehlung meiner PKV ist irreführend; das bleibt mangels Transparenz aber fast unbemerkt.
Fazit
Mit dem Kapitalwert und dessen zeitlichem Verlauf können wir analysieren, ob es sinnvoller ist, bei der PKV Behandlungskosten abzurechnen oder Beiträge rückerstatten zu lassen. Der Vergleich bei meiner konkreten PKV zeigt: Entgegen der Empfehlung ist die Rückerstattung nur bei geringen Behandlungskosten (bis ca. 1.000 EUR) attraktiver. Ohne eine transparente Kalkulation bleibt das jedoch oft unbemerkt.
Im Anhang 1 finden Sie das Excel-Beispiel. Passen Sie es gerne an Ihre eigene Situation an und lassen Sie mich wissen, ob es Ihnen bei Ihrer Entscheidung geholfen hat.
Ihr, Nico Litschke
Haftungsausschluss: Es ging mir hier um die Methode. Der Rechenweg, das Ergebnis und die Vorteilhaftigkeit gilt so nur für meinen konkreten Fall. Sie müssen das auf Ihren konkreten Fall adaptieren. Und natürlich ist dieser Artikel weder eine Versicherungs-, noch Finanz- und schon gar keine Steuerberatung. Da sind sich die Lobbyisten und der Staat einig, dass das nur bestimmte Leute dürfen, die für viel Geld riesige Stapel an Formularen ausfüllen.
Anhang 1: Excel-Download
Anhang 2: Alternative Berechnung anhand Gesamtkosten
Zur Vollständigkeit ein alternativer Rechenweg, der über die Gesamtkosten führt. Dieser Rechenweg ist Anhang 1 im zweiten Tab enthalten. Das Analyseergebnis bleibt identisch, doch dieser Ansatz könnte Ihnen in anderen Kontexten nützlich sein. Man sieht hier auch schön, dass im Vergleich weniger negative Kapitalwerte attraktiver sind.
Das Analyseergebnis bleibt identisch. Nur sind alle Kapitalwerte negativ:
Kapitalwerte (EUR) | Rückerstattung | Kostenabrechnung |
---|---|---|
ohne ewige Rente | -28.951 EUR ✔ | -29.151 EUR |
mit ewiger Rente | -67.233 EUR ✔ | -67.634 EUR |
Die Kostenabrechnung ist aber zeitweise etwas weniger negativ und deshalb etwas attraktiver.
Bis etwa 1.000 EUR Behandlungskosten ist wieder die Rückerstattung etwas vorteilhafter:
Endnoten
- ↑Jordà, Ò., Knoll, K., Kuvshinov, D., Schularick, M. Taylor, A.M. (2017). “The Rate of Return on Everything, 1870–2015” Federal Reserve Bank of San Francisco Working Paper 2017-25. https://doi.org/10.24148/wp2017-25
Titelbild: generiert mit DALL-E von OpenAI
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